interview2.
"Es gibt Menschen, die glauben dagegen sein zu müssen oder gehässig sein zu müssen, einfach weil es sonst Nichts zu tun gibt."
"Ich komme aus dem Iran und lebe seit 1975 hier in Deutschland.
Ich habe zwei Kinder, 31 und 40.
Ich habe alles Mögliche gemacht, Landschaftsarchitektur studiert, Grafik und Design studiert, leider aber nicht zu Ende gemacht. Ich arbeite, seit ich hier bin, als Maler, Zeichner und Künstler. Ich habe mehrere Galerien gehabt. Ich habe schon alle möglichen Jobs gemacht, die man eben zum Überleben braucht.
Ich bin mit 16 nach Deutschland gekommen und bin auch hier zur Schule gegangen, habe mein Abitur gemacht und wurde früh Vater, mit 20. Das Leben hat dadurch einen ganz anderen Lauf genommen. Dann habe ich angefangen zu studieren. Abgebrochen und wieder studiert, das war immer so ein Hin und Her.
Ich lebe seit 2004 in Dortmund. Ich habe damals eine Landsfrau von mir angeheiratet, die aus Dortmund stammt und dadurch bin ich von Bochum nach Dortmund gezogen.
Ich war schon mal in Berlin für ein halbes Jahr, hab in Mainz gelebt und in Wiesbaden kurzzeitig. Aber Ruhrgebiet ist Ruhrgebiet, wenn man einmal hier war - es hat halt seine eigene Atmosphäre. Das Ruhrgebiet hat was, es ist sehr ehrlich hier. Vor allem das interessante ist ja hier die Zusammenkunft von vielen Nationen. Die Menschen waren ja schon in der Vorkriegszeit hier und das schafft so eine internationale Atmosphäre.
Doch gerade, wenn man so Städte, wie Dortmund und Bochum vergleicht, gibt es einen riesigen Unterschied. Ich habe mal mit einer älteren Dame in Bochum geredet und in Bochum sagt man „Wir sind die Ruhrgebiet Leute und in Dortmund sind die Westfalen.“.
Auch Deutsche selbst machen da einen Unterschied. Dortmund ist inzwischen eine merkwürdige Stadt. Also wenn man direkt den Vergleich zieht zwischen Dortmund und Bochum. Hier in Dortmund sind die Leute ein bisschen rauer. Vor allem habe ich die Jahre in denen ich in Bochum gelebt habe, nicht so viel Antipathie erlebt, wie hier. Hier erlebe ich sehr viel Antipathie, sehr offene Antipathie.
Bochum ist eine Stadt mit fast 60.000 Studenten. Man merkt dort ist mehr Kultur unterwegs, mehr Offenheit, mehr Niveau, kulturelles Niveau.
In letzter Zeit macht Dortmund sicherlich viel, es sind viele Aktionen passiert. Zum Beispiel das Bochumer Theater ist bundesweit bekannt oder die Umbauten von Industriegebäuden zu Kulturstätten. Das hat in Bochum angefangen, vor 35 Jahren. Das hat sich dann weiter in den Westen gezogen nach Gelsenkirchen und Essen und dann auch nach Dortmund.
Dortmund ist mehr oder weniger so ein Nachzügler.
Ich habe hier schon enorme Feindseligkeit erlebt und direkte, bei der ich zutiefst beleidigt worden bin, bedroht worden bin und um meine Sicherheit fürchten musste. Dementsprechend habe ich auch psychische Probleme. Besonders in der letzten Phase, seit ich in diesem Mietshaus wohne, habe ich einfach Ängste.
Was gravierende Akzente setzt in der deutschen Gesellschaft, finde ich, ist die Partei AfD, ohne sagen zu wollen, dass die der einzige Grund ist. Aber es hat sich viel verändert. Die AfD hat die Stimme geändert, sie hat die Ansprache geändert.
Sie hat das, was tief in vielen Leuten schlummerte angesprochen und das salonfähig gemacht, salonfähig gemacht, dass man Menschen beleidigen kann.
Deutschland ist halt ein Land mit sehr schwieriger Geschichte, das darf man nicht außer Acht lassen. Als ich in der Schule war habe ich mich sowieso für diese gesellschaftliche Auseinandersetzung sehr interessiert. Das macht die Herkunft. Einfach, weil ich das schon ewig erlebt habe, diese Antipathie, diesen versteckten Hass, versteckte Ablehnung, da kommt man nicht drum rum. Das sind verschleppte Sachen von den 30er Jahren, die immer noch existieren und das kann ich auch nicht schönreden. Wenn man die Geschichte betrachtet, ist es sicherlich ausschlaggebend, dass der Ursprung in den in 30er, 40er Jahren liegt. Die Leute haben sehr viele schlimme Dinge erlebt und gemacht und dann 45 punktgenau, waren auf einmal alle Demokraten. Das ist eine Sache der Unmöglichkeit, von heut auf Morgen. Ich weiß nicht wie viele Leute, die überlebt haben, alle Demokraten geworden sind, das ist wohl eher scheinheilig und tut nichts für die Problembewältigung.
Es hätte wesentlich mehr Aufklärung gebraucht über Jahre, die nicht stattgefunden hat. Dafür bezahlt man jetzt den Preis. Was ich da so sehe, dass man offen zum Tod von Politikern aufruft oder Sachen sagt wie „häng die Frau auf“ oder Begriffe genutzt werden wie „Kopftuch Mädchen“ oder was von der AFD öffentlich im Bundestag gesagt wird.
Ich merke eine gewisse Machtlosigkeit hier in Deutschland. So eine unterschwellige Machtlosigkeit, dass man sich überrumpelt fühlt von dieser Aggression, von diesem brodelnden Hass, dieser wachsenden Antipathie gegen alle.
Ich habe so viel gesehen hier und so vieles erlebt. Bevor sich das mit meiner Wohnung so entwickelt hat, hatte ich keine Angst in Deutschland. Ich war beunruhigt und unsicher, aber jetzt habe ich Angst, dass ist echt kein Witz, das ist echt Angst. Das ist nicht schön!
Man merkt das sich unterschwellig Unheil zusammen braut.
So wie ihr es gerade gesagt habt, ihr seid Deutsche, aber wenn ihr das hört habt ihr ein Schamgefühl. Dieses Gefühl ist ein gutes Gefühl, weil das was zum Teil passiert ist beschämend und beängstigend. Das ist wie ein Traum, in dem man im Feuer steht - man muss nach dem Exit suchen. Man muss nach dem Fluchtweg suchen.
Ich finde das ist momentan in Deutschland wirklich so, man muss nach dem Fluchtweg suchen.
Es klingt vielleicht ein bisschen hart, Außenstehende nehmen mich vielleicht als unverschämt wahr und betiteln mich als Nestbeschmutzer. Von wegen der kommt jetzt hier hin und bekommt eine Krankenversicherung und alles Drum und Dran.
Dabei fühle ich mich ehrlich gesagt mehr als Deutscher, als Iraner, weil ich seit 47 Jahren hier lebe. Ich bin als Kind hergekommen und wurde hier geformt. Trotzdem kann ich nicht Nichts sagen oder meinen Mund halten.
Was sicherlich sehr gefährlich ist, was ich beobachtet habe ist, dass ich in Deutschland ein gewisses opportunistisches Herdendenken erkenne. Die Leute lieben Ordnung, wenn jemand sagt, wo es lang geht. Überall gibt es Verbote. Es entwickelt sich in der Bevölkerung eine unterschwellige Akzeptanz. Die Menschen nehmen die Farbe immer mehr an. Das was passiert geschieht nicht von heute auf morgen, aber man sieht so eine Strömung, die die Leute schon damals nicht gesehen haben. Sie schauen was macht mein Nachbar, wie denkt mein Sohn und meine Mitarbeiter oder Kollegen. Heinz macht das, Karl macht das, dann mach ich das auch. Opportunismus ist gefährlich, eine gefährliche Eigenschaft, die man sich nicht aneignen sollte. Dann entsteht aber eben diese Gruppendynamik, und da nicht mitzuspielen davor haben die Deutschen sehr viel Angst. Sie würden eher was Unanständiges machen, als zu sagen ich gehöre nicht dazu und ich bin dagegen.
Ich komme selbst aus einem Land, wo die Machthaber radikaler sind. Machthaber, die töten, die Menschen aufhängen. Wir haben eine Regierung, die mit viel Druck auf die Bevölkerung und mit viel Angst regiert. Verhaftungen, Enteignungen und so weiter.
Aber die Bevölkerung ist eine friedliche und das ist der Unterschied. Wenn Sie in Teheran sind und zum Beispiel in einem Stau stehen, in einem Stau wo man 4 Stunden bei 40 Grad Hitze nur einen halben Meter vorwärtskommt, die Autos an sind und in der Luft die Abgase stehen. Die Leute hier wären schon längst durchgedreht. Der Taxifahrer in Teheran macht sein Fenster runter und lässt irgendeine Musik laufen, ruft zu seinen Kollegen rüber „Na alles klar, wie geht es dir?“ - er versucht die Zeit gut zu gestalten, weil er steht ja sowieso.
Ich bedaure wirklich sehr, wie die Menschen hier miteinander umgehen, dass diese Antipathie auch zum Teil zwischen Deutschen selbst existiert.
Ich komme aus einem Land mit einer sehr alten Geschichte. Wir sind auch keine Heiligen, so ist es nicht, wir haben auch viel Schlechtes gemacht in dieser Welt, aber wir würden nie so miteinander reden, wie ich es hier höre. Ich verstehe das nicht. „Mach das ja richtig, bau kein Scheiß“, solche Sachen - um andere klein zu machen, irgendjemandem irgendwas reinzuwürgen und denjenigen schlecht zu machen, damit man lacht. Also das gibt es bei uns nicht, das gehört sich einfach nicht, aber das machen die Leute hier. Diese Gewohnheit andere zu piesacken, damit man irgendwas zu lachen hat. Also ich finde man kann über Sachen lachen, die Niemanden angehen. Wenn sie Niemanden betreffen, dann kann man zusammen lachen. Aber jemanden niedermachen und darüber lachen, das hat keinen Witz, denn einer leidet. Und wenn doch einer leidet, versteh ich nicht, dass man dann gemeinsam lacht.
Ich sage nicht, dass alle Deutschen so sind. Das möchte ich vorab sagen, das was ich anspreche betrifft ein gewissen prozentualen Anteil der Deutschen. Ich bin nicht mehr sicher wieviel Prozent, das muss ich echt zugeben, da ändere ich jeden Tag meine Meinung.
Mal sag ich 10 Prozent, dann doch 30 bis 60 und dann wieder weniger, dann wieder mehr, ich weiß es ehrlich nicht. Aber ich spreche von diesen Leuten, die Hass verbreiten, denen das Schicksal anderer Menschen egal ist, denen Leid anderer Menschen egal ist, die sich durch Leid anderer Menschen profilieren und daran freuen.
Ich habe vor hier wegzugehen. Ich würde gerne wieder in mein Heimatland zurück. Aber trotzdem, ich habe Kinder hier und mir liegen auch die guten Menschen hier am Herzen. Das hat mit Nationalität nichts zu tun.
Ich habe dann vielleicht Vieles nicht, was ich hier habe, aber ich will es auch nicht haben, ganz ehrlich. Ich möchte mein Leben reduzieren, viel spartanischer leben, als hier. Mich einfach mehr auf das Leben konzentrieren. Das ist kein Slogan und keine Proform, was ich euch erzähle ist wirklich so. Also ich merke ich brauche alles nicht mehr, das hat mich nicht weitergebracht. Ich will nicht mehr von Hass, von Nazi und Hitler umgeben sein. Nein. Wirklich nicht mehr. Freunde von mir Leben in Italien, da gibt es auch Faschisten so ist es ja nicht, aber die haben zumindest schönes Wetter gehabt.
Ich sage euch jetzt ganz was Ehrliches. Vielleicht klingt das hart. Und vielleicht ist es ein Widerspruch zudem was ich von mir gegeben habe, aber die Deutschen sind es mir nicht wert. Wisst ihr warum ? Ich habe genug. Seit ich in Deutschland bin, 47 Jahre, habe ich so viel Schlechtes erlebt, so viele gravierende schlechte verachtende Sachen. Warum soll ich Erbarmen haben? Es ist egal was ich mache, es ändert sich nichts.
Ich habe mal eine sehr schöne Karikatur gesehen, vielleicht sagt euch das was, steht ein Schweizer, ein Holländer und ein Deutscher an einem Fluss. Alle drei ziehen einen Fisch heraus, alles identische Fische. Der Holländer „juhu“, der Schweizer freut sich auch und der Deutsche zeigt sich verhalten. Diese Unzufriedenheit.
Wo gibt es das? Wenn dir jetzt auf der Einkaufsstraße schlecht wird – als Deutscher kommt der Krankenwagen in 4 Minuten, bei mir dauert das 18 Minuten, aber das ist halt so, dennoch kommt er nach 18 Minuten. Gut, wenn ich einen Schlaganfall habe ist meine Überlebenschance ein bisschen weniger, aber immer noch da.
Wo gibt es das? Du willst von Dortmund nach Köln fahren. Um 12 nach nimmst du die S Bahn, um 27 nimmst du die Bahn, dann bist du genau nach diesem Zeitplan da. Seid doch mal zufrieden.
Wo gibt es das? Geh mal in den Aldi oder den Lidl oder irgendwas, da gibt es 300 Meter Fleischsorten.
Das versteh ich nicht, deswegen habe ich kein Erbarmen. Für so eine Unzufriedenheit, so eine blöde ordinäre Unzufriedenheit habe ich kein Verständnis.
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Ich habe wirklich jahrelang darüber nachgedacht, vor allem früher, vor den aktuellen Vorfällen, wo dieser Hass entsteht.
Was ist Hass? Was ist die Definition von Hass? Wo kommt das her? Warum ist das so?
Und das ist echt eine sehr, sehr komplizierte Angelegenheit, woher Hass kommt.
In letzter Zeit fangen viele Menschen an sich einfach zu hassen, ohne zu denken. Einfach so drauf los, aus Jux und Tollerei oder noch nicht mal deshalb.
Ich tippe auf Erziehung, denn daher kommt was man lernt. Gehen wir davon aus Ihre Mutter ist sauber. Entweder Sie werden ganz dreckig, ja oder Sie werden auch sauber. Aus Protest werden Sie vielleicht Messi, aber wenn nicht haben Sie wahrscheinlich zumindest eine gewisse Struktur von Ihrer Mutter übernommen. Warum? Weil es schön zu wissen ist, dass in der Akte 27 die Unterlagen eines Vertrags zu finden sind, so muss man keine Stunde suchen oder wo der Kochtopf ist. Sonst müssten Sie alle Schränke aufmachen, um die Pfanne zu finden und so wissen Sie, da ist die Pfanne und die Pfanne ist immer da. Ich denke das sind Sachen, die man von zuhause hat, die man lernt.
Ich weiß nicht, darüber habe ich auch nachgedacht, dass es genetisch bedingt ist. Ich habe wirklich darüber nachgedacht - Warum passiert es in manchen Ecken der Welt mehr und woanders weniger? Ich kann sicherlich nur von Deutschland sprechen. Ich habe in Frankreich, eine Zeit lang, gelebt, da habe ich auch Rassismus erlebt. In den Niederlanden weniger, aber in Frankreich habe ich auch wirklich extremen Rassismus erlebt.
Aber hier Ich lebe halt hier und ich kann nur von meiner Umgebung sprechen, wo ich es auf meiner Haut spüre. Ich kann und möchte nicht Spekulationen veranstalten und sagen „das ist da so, da so“, das kann ich nicht. Ich kann nur sagen hier ist so wie ich es sehe.
Aus den Augen, aus dem Sinn. Über solche Sachen könnte ich ein Buch schreiben, also ehrlich gesagt ganz allein nur über meine Erlebnisse.
Es besteht eine gewisse Notwendigkeit, dass man vor allem jetzt über die Sache spricht. Denn jetzt einfach mal zu gucken was es wird - das wird nicht gut enden. Das ist wirklich meine Prognose. Ich bin kein pessimistischer Mensch, überhaupt nicht. Ich liebe das Leben. Ich bin zwar jetzt depressiv, aber ich liebe schönes Wetter, gutes Essen, nette Unterhaltung, Tiere, Grünzeug. Aber trotzdem muss man das Thema pessimistisch sehen. Und vor allem - von allein wird das nicht gut. Wenn ich so rede, sagen viele Leute, dass es pessimistisch wäre. Aber nein. Pessimist ist derjenige, der alles negativ sieht und keine Lösung bietet. Realist ist derjenige, der Probleme sieht und nach Lösungen sucht.
Das ist ein Realist für mich, Jemand der versucht die Sachen ungefärbt zu sehen, der sein Umfeld sieht und Negatives, sowie Positives erkennt. Der Pessimist sagt „Alles ist schlecht“, nein, Alles ist nicht schlecht. Das habe ich auch immer gesagt, ich habe auch gute Erfahrungen gemacht. Manche Deutsche sind Heilige, wirklich, es gibt welche davon. Ich habe das selbst erlebt, Leute, die netter waren als meine Mutter oder als mein Bruder oder mein Cousin. Ich habe eine Frau kennengelernt im Studium, als ich jung war, Gott segne Sie, Frau Schmidt, sie hatte ein Herz so groß, wie Nordrhein-Westfalen. Ein super netter Mensch, mit Zuversicht und Liebe und sie hat versucht immer Allen so zu helfen, dass man über die Runden kommt und studieren kann. Solche Leute habe ich auch kennen gelernt, aber eben auch andersherum. Ich habe Menschen getroffen, die mir im Leben lieber nicht begegnet wären.
Ich bin hier auf der Münsterstraße rumgelaufen, elf Uhr morgens, ich wollte zum Arzt gehen, mein Urologe ist dort. Ich geh da also vorbei, da kommt ein ziemlich kräftiger Glatzkopf, Nazi oder Möchtegern-Nazi, ich weiß nicht, ob er bewusst so aussehen wollte oder seine Kumpel so aussehen und er deshalb auch, das weiß man Alles nie so genau.
Er kommt an mir vorbei und er spuckt mich an. Ich hatte keine Schuld.
Da ist mir durch den Kopf gegangen ; Was mache ich jetzt? Einfach aus heiterem Himmel, er ging an mir vorbei, weit und breit war keiner, also hat er sich das erlaubt, weshalb auch immer, vielleicht hat seine Freundin Schluss gemacht, sein Auto war kaputt, ich weiß es nicht.
Er hat mich auf jeden Fall angespuckt und dann haben wir uns angeschaut, standen da und ich habe ein bisschen Abstand genommen. Das war eine sehr komische Situation, man muss abwägen was mache ich - hau ich ihm richtig kräftig eine, auf Deutsch gesagt, in die Fresse und breche ihm vielleicht die Nase? Verteidige ich mich? Was will er von mir?
In der Sekunde habe ich gar nicht mitgekriegt, kamen 3/4 türkische Jungen, Araber, Türken – weiß ich nicht. Auf jeden Fall schwarze Haare. Sie haben irgendwie die Situation, ohne dass ich es mitbekommen habe, geändert, denn auf einmal waren wir eine Horde. Da hat er sich das Ganze kurz überlegt und ist dann ganz schnell verschwunden.
Was ich damit ausdrücken will ist, dass hier jetzt mittlerweile eine Gesellschaft entstanden ist, eine vielschichtige Gesellschaft, mit vielen Leuten mit Background, unterschiedlicher Herkunft, mit Migrationshintergrund, wie man so gerne neudeutsch sagt. Die Menschen sind zum Teil hier geboren, sind zum Teil hier aufgewachsen, haben ihre Wurzeln hier, diese jungen Leute, die wollen sich das nicht gefallen lassen, dass sie durch die Straße gejagt werden. Da vertut sich der Deutsche, das sag ich jetzt ganz ehrlich. Da werden kriegsähnliche Szenen entstehen.
Ich finde in dieser Zeit, in der sich diese Sache so zuspitzt, muss man auch die Menschen betrachten, die sich in die Enge getrieben fühlen. Und dass man das nicht tut, dass finde ich gefährlich. Ich bin ein 62-Jähriger Mann, aber wenn ich bedroht werde denke ich auch daran zu verletzten. Das ist reine menschliche Natur. Drängt man eine Ratte, ein so kleines Tier, in die Ecke eines Zimmers, wird sie versuchen Sie anzuspringen und die Hauptader oder sowas anzuknabbern, weil sie überleben will. Das ist so. Das ist bei mir nicht anders und bei den anderen auch nicht.
Dass also diese Menschen sich einfach ihrem Schicksal hingeben und nichts tun, das passiert nicht mehr.
Wenn ich in einem italienischen Café sitze, und Kaffee trinken, ist es etwas Anormales. Ich darf es wirklich gesellschaftlich nicht. Jeder geht beim Italiener Kaffee trinken, aber wenn da ein Ausländer sitzt, passt es ihnen nicht. Ist das nicht grotesk? Das hat doch keinen Sinn. Das ist ein blindes, meiner Meinung nach extrem primitives Gedankengut, was man nicht gutheißen soll und nicht so stehen lassen kann.
Aber wir können auch nichts daran ändern, wie gesagt. Vielleicht ist es genetisch, es liegt sicherlich an vielen anderen Problematiken, bei denen ich leider nicht helfen kann.
Ich würde mich gerne verpissen auf Deutsch gesagt. Entschuldigung, aber ich bin sauer und wenn ich sauer bin, benutze ich immer böse Wörter. Obwohl ich bin nicht sauer, sondern verzweifelt. Wenn man verzweifelt ist, fühlt man sich anders.
Ich habe viele Sachen erlebt, zum Teil sehr intensiv. Ich bin ein sehr intensiver Mensch vom Charakter her. Wie gesagt ich sehe vieles, was die anderen überhaupt nicht sehen. Das ist wirklich ein Fluch, sowie ein Gewinn. Es ist etwas, was sehr gut ist, aber auch sehr schlecht. Ich sehe Sachen - manchmal will ich die gar nicht sehen, aber ich sehe die Feinheiten halt.
Wenn man Sachen so tief erlebt, dann kann man es auch ausführlicher erzählen. Es ist wie, wenn man ein Objekt mit 8 Kameras sieht. Verschiedene Aspekte, verschiedene Richtungen, nicht nur gerade aus.
Ich stelle mir immer die Frage; Weshalb ? Warum ? Warum ist das so? Was kann man dagegen machen ? Was habe ich falsch gemacht ? Was machen die anderen falsch ? Wo sollen wir ein anknüpfen ? Wo ist der Anfang? Was ist die Entwicklung ? Wie macht man weiter? Hat es einen Sinn oder hat es keinen Sinn? Sollte man sich überhaupt diese Gedanken machen?
Diese Fragen sind alle in meinem Kopf und diese Fragerei findet permanent statt.
Das ist wie bei Kunst, es ist dasselbe. Sie haben irgendwie diese Vorstellungskraft, wenn man das nicht hat, kann man keine Kunst machen. Kunst hat nur mit Vorstellungskraft zu tun. Also ich kann nicht dieses schreiende Bild von Jemandem malen, weiß jetzt nicht, wie der Typ heißt, ein bekannter Maler. Denn dann wäre ich ein Kopie von diesem Mann.
Ich habe noch nie Kunst von Jemandem nachgemacht. Ich bin die Person, die etwas Neues schaffen muss. Wir nehmen Vieles wahr, Vieles an, aber man muss trotzdem gewisse Veränderungen herbeischaffen. Man muss es entwickeln und das ist bei unserem Thema nicht anders.
Wir haben uns jetzt eine Aufgabe gesetzt. Ihr seht irgendwas in der Gesellschaft, ihr habt gesehen, dass es irgendwas ist an dem man arbeiten muss. Dieses Gefühl „das muss“, das habt ihr jetzt in den Fokus gestellt, darauf konzentriert ihr eure Kraft. Ihr wollt was verändern und da bin ich mit euch.
Nichts geschieht von heute auf morgen. Nichts ist direkt so groß. Kleine Sachen sind es die sich entwickeln und verändern. Auch wenn nicht immer was Großes draus wird. Man sollte nicht unbedingt an das Ende denken - was wird daraus? , sondern daran wie es wird. Wie die Buddhisten sagen nicht das Ziel ist wichtig, der Weg dahin ist doch viel wichtiger, als das Ziel.
Vorgestern habe ich eine sehr schöne Sendung über mein Land gesehen, fantastisch. Ich bin kein Nationalist. Es ist eine schöne Welt, in der ich lebe.
Wir sind ein Volk mit einer sehr alten Kultur. Wir sagen immer man sollte jedem Atemzug dankbar sein. Nicht gestern, nicht vorgestern, nicht mal der nächsten Sekunde.
Es gibt einen Dichter im Iran, der halbiert das sogar – beim Einatmen dankbar sein und beim Ausatmen. Er sagt, wenn du einatmest, weißt du nicht ob du auch wieder ausatmen kannst, also sei froh.
Was soll passieren ? Nur Positives ? Nein, Veränderung. Das Gefühl etwas verändern zu wollen, das ist heilig. Was daraus wird – das weiß nur Gott. Wir hoffen das Beste.
Aber hier zu sitzen und zu sagen alles ist auch okay, geht nicht, denn okay ist es nicht."