interview1.
"Ich habe bei diesen Vorfällen richtig Angst gehabt, das waren wirklich die Male, wo ich mich gefragt habe, ob ich nicht wirklich direkt nach Hause gehen soll."
"Ich komme aus Kamerun und bin nach Deutschland gekommen, um zu studieren. Ich habe Pharmazie studiert und auch abgeschlossen. Dann habe ich angefangen zu arbeiten, aber dann gemerkt, dass das nicht so ist, wie ich mir die Pharmaindustrie vorgestellt habe. Dann habe ich meinen Job gekündigt und arbeite jetzt als Wertstoffprüfer. Im Moment bin ich jetzt hier, um erstmal ein bisschen Erfahrung zu sammeln und ja, mal gucken was die Zukunft bringt.
Ich würde auch natürlich wieder nach Hause fliegen, also Deutschland ist nicht für immer. „Immer“ ist ein großes Wort, man kann nie wissen. Natürlich ist es immer anders, wenn man zu Hause ist. Ich fühle mich gut in Deutschland, aber wie gesagt Zuhause ist es immer schöner. Vor allem im Winter.
In Deutschland bin ich seit 2012 und es gab seitdem schon einige Vorfälle.
Also es ist schon ein paar Mal passiert, dass ich auf der Straße beleidigt wurde oder bei einer Demo, wo ich nicht wusste, worum es geht oder was ich gemacht habe. Ich wohne, bzw. ich habe in Lütgendortmund gewohnt das ist ja neben Dorstfeld und da gab es häufiger so Nazidemos. Und da ist es schon mal passiert, dass ich einfach nach Hause ging und dann beschimpft wurde oder keine Ahnung. Von wegen ich soll dahin zurück, woher ich komme. Aber ansonsten ist in Dortmund nichts vorgefallen.
Allgemein bin ich nicht so, dass ich mich von sowas treffen lassen. Also ich bin schon lange so eingestellt, dass ich mich von sowas nicht so fertig machen lasse. Ich nehme das nicht so persönlich. Also von daher habe ich mich nie so bedroht gefühlt, außer an dem Tag bei dieser Demo. Sie haben mich nicht angeschrien, sie sind nur hinter mir gelaufen. Ich habe versucht ruhig zu bleiben, aber ich hatte trotzdem Angst.
Man ist benachteiligt. An der Uni war es auch ein bisschen so, da hatte ich schon komische Erfahrungen, bspw. Studierende, die meinten ich darf hier in Deutschland nicht studieren. Ja, das ist schon alles krass. Als ich Pharmazie studiert habe hatte ich zum Beispiel an der Uni einen Professor der wirklich einen Hass gegen Ausländer hatte. Und er hat auch bei Vorlesungen irgendwelche blöden Aussagen gegenüber Ausländern gemacht. Da fühlt man sich benachteiligt, denn das ist nicht okay. Wie gesagt man sitzt da als Ausländer, ist sowieso schon benachteiligt allein schon wegen der Sprache. Man muss immer nachfragen, wenn man mal nicht alles versteht, man muss sich anstrengen Kontakte zu knüpfen und ständig diese ganze Enttäuschung einstecken.
Es gibt viele Gruppierungen in der Uni oder auch an der FH. Wir sind meistens immer zusammen, weil man nicht so schnell akzeptiert wird. Und auf der Arbeit ist es das gleiche.
In Dortmund funktioniert es ganz gut.
Zum Beispiel; ich sitze im Zug, dann kommen Polizisten direkt auf mich zu. Sie kommen direkt zu mir und wollen meinen Ausweis sehen. Es gibt 1000 Leute, die dasitzen, aber sie kommen explizit zu mir. Das habe ich auch schon sehr oft am Bahnhof in Dortmund erlebt. Man steht einfach da und auf einmal kommen Polizisten zu dir und wollen deine Papiere. Du weißt gar nicht warum, aber du darfst auch nicht fragen. Wenn du fragst warum, dann wird man direkt bedroht, dass wenn man weiter so ist, man mit auf die Wache kommt.
Ich habe das selbst schon zweimal erlebt, dass ist nicht einfach. Man wird kontrolliert und sie reden einfach so unhöflich und abwertend. Ansonsten finde ich, war es ok in Dortmund.
Es gab einen Vorfall in Gelsenkirchen, bei dem ich auch echt Angst hatte. Da hat mich ein Typ so richtig beleidigt. Er ist daraufhin in seine Wohnung gegangen und hat eine Waffe geholt und mich dann mit dieser Waffe bedroht. Das war schon krass. Danach war ich so deprimiert, da wollte ich nicht mehr raus gehen. Ich war die ganze Zeit wirklich so deprimiert und nur Zuhause. Es gibt halt solche Momente, aber was soll ich sagen? Der Typ hat einfach Probleme mit Schwarzen. Er war auf einmal auf 180 und mich „Neger“ genannt. Er hat dann die Polizei gerufen, weil er dachte ich hätte keine Papiere oder so. Auf jeden Fall hat er die Polizei angerufen und meinte dann ich werde jetzt in mein Land abgeführt und sowas. Es war richtig krass. So wie ich das jetzt sage klingt es wirklich noch harmlos, aber er hat mich richtig beleidigt. Wie gesagt, er ist dann irgendwann in seine Wohnung und kommt raus und legt mir eine Waffe an. Der hatte einfach eine Waffe der kranke Typ. Gott sei Dank waren die Polizisten gut und haben mich nicht abgeführt. Ihm wurde seine Waffe weggenommen, also er hatte zwar einen Waffenschein, aber keinen Grund warum er eine Waffe bräuchte. So einen Menschen verstehe ich nicht. Entschuldigung, aber der ist doch gestört.
Ich bin in Deutschland seit 12 Jahren und ich habe jetzt schon ein paar Sachen erlebt, wie gesagt an der Uni und bei der Arbeit, aber den krassesten Vorfall hatte ich mit der Polizei. Ich war in Krefeld bei einem Kumpel von mir. Ich spiele Klavier und er spielt Gitarre, also waren wir bei ihm und haben ein bisschen gejamt. Auf einmal gab es ein bisschen Stress mit dem Vermieter und er hat den Strom abgestellt, deshalb haben sie sich ein bisschen gestritten und dann wurde die Polizei angerufen. Dann kamen zwei Polizisten und die waren richtig böse. Wir haben mit dem Vermieter geredet und wir standen vor der Haustür und dann kamen sie. Dann sind sie zu uns gekommen und haben gefragt wo unsere Ausweise sind. Ich hatte meinen Ausweis dabei, aber mein Kumpel hatte seinen Ausweis nicht dabei. Ich habe meinen Ausweis gezeigt und mein Kumpel meinte er will hoch gehen, um seinen Ausweis zu holen, aber die Polizisten haben nein gesagt. Sie waren schon so abwertend, bevor sie überhaupt unsere Ausweise kontrolliert hatten. Ich wohne ja nicht mal da und warum muss ich mich auswiesen, ich hatte ja eigentlich kein Problem. Und dann ging’s direkt so von wegen „ja, so funktioniert das in Deutschland und wenn Sie das nicht wollen können Sie zurückgehen, woher Sie kommen.“ Dabei wussten sie nicht mal, ob ich in Deutschland geboren bin oder wo ich herkomme, also wie kommen sie darauf, dass ich irgendwo herkomme.
Die Polizisten meinten zu meinem Kumpel, dass sie dann mit in seine Wohnung kommen. Also sind sie mit in seine Wohnung gegangen, dabei sagte er, dass er das nicht will und fragte, warum sie mit in seine Wohnung kommen müssen. Laut Gesetz darf er „Nein“ sagen, dass ist sein Recht. Wir hatten keine Waffen, niemand war in Gefahr oder schrie rum. Sie meinten sie können rein, wenn sie das wollen und wir könnten ja unseren Anwalt anrufen. Auf jeden Fall haben sie dann die Tür eingetreten und standen dann in der Wohnung. Ich habe meinem Kumpel gesagt, er soll mir mein Handy geben, damit ich den Anwalt anrufen kann. Doch als er mir das Handy geben wollte, haben sie angefangen ihn zu schlagen. Sie haben ihn richtig verprügelt und er hat geschrien. Ich hatte auch Angst, denn irgendwann hat einer von ihnen eine Waffe gezogen. Sie haben dann noch Verstärkung gerufen und als die anderen kamen, haben sie mich gepackt und wie einen Kriminellen auf den Boden gedrückt. Einfach aus dem Nichts. Keine Ahnung, das waren Polizisten, da fragt man sich, wo man denn überhaupt sicher ist, wenn die Polizei es ist, die dich verprügelt. Ich war schon fertig, weil ich meine, das waren Polizisten und wir haben nichts gemacht und dann verprügeln sie ihn so aus dem Nichts. Sie haben nur gesagt, dass wir unseren Anwalt anrufen können, weil sie dachten wir kennen unsere Rechte nicht oder weil sie dachten wir kennen keinen Anwalt oder weiß ich nicht.
Vor allem waren sie so abwertend, unhöflich und keine Ahnung, einfach so rassistisch.
Diese vorschnelle Aussage, dass ich wieder in meine Heimat zurückkehren soll. Welche Heimat? Da ist man schon verzweifelt. Was kann man denn dagegen machen?
Sie haben uns verklagt, denn mein Kumpel hat mitgefilmt, als sie mit uns so komisch geredet haben, uns abgewertet und bedroht haben. Wir müssen uns jetzt einen Anwalt nehmen, der uns verteidigt. Mein Freund hat das Gespräch aufgenommen, sie haben dann das Handy beschlagnahmt und gesagt, dass wir das nicht filmen dürfen. Und dann haben sie uns verklagt, dabei haben wir nichts gemacht. Dabei war ich nicht mal in der Nähe der zwei Polizisten und ich wollte nur den Gefangenen befreien. Ich wollte den Gefangenen, also meinen Freund, befreien. Ich stand zu dem Zeitpunkt unten, sie waren oben auf der Treppe, aber natürlich wollte ich ihn befreien. Ich habe sie angeblich an ihrer Arbeit gehindert. Ja okay kann sein, weil ich mit ihnen geredet habe, aber ich habe mich nicht mal verteidigt. Also müssen wir jetzt einen Anwalt nehmen und Geld ausgeben, obwohl wir nichts gemacht haben.
Alles als wir einfach nur Zuhause waren. Das ist was man nicht versteht. Man sitzt Zuhause und dann auf einmal kommen irgendwelche Polizisten.. - das kann nicht sein. Das Handy haben sie bis heute.
Der Vorfall mit diesem kranken Typen in Gelsenkirchen, als er die Polizei angerufen hat, da hatte ich Glück, dass noch solche Beiden gekommen sind. Wären sie gewesen wie diese Polizisten in Krefeld hätten sie mich sicher sofort mitgenommen.
Aber es sind doch nicht alle so.
Ich habe meinen Sohn hier und ich frag mich, wie wir leben sollen, denn für ihn ist es noch schwieriger. Deutschland ist seine Heimat, seine Mutter kommt aus Deutschland und ich komme aus Kamerun. Er ist hier geboren, das ist seine Heimat. Ich frage mich wie wird das, wenn er so behandelt wird, als wäre er ein Ausländer. Ich habe mein ganzes Leben in Kamerun verbracht und bin nur zum Studieren hierhergekommen. Und wenn dann Jemand so etwas sagt wie „Geh zurück dahin wo du hergekommen bist“, ist schon okay für mich, da ich weiß, dass ich nicht von hier bin. Aber ich stelle mir viele Fragen, wie es für ihn wird, denn hier ist seine Heimat. Deutschland ist seine Heimat. Er ist hier geboren und aufgewachsen. Nur weil er eine andere Hautfarbe hat, wird man sagen „Geh zurück“ oder „du bist ein Ausländer“.
Für mich ist es das, was mir am meisten Sorgen macht. Denn das Problem ist, dass ich nicht wirklich weiß, was ich ihm sagen soll.
Ich weiß nicht, also es ist immer schwer, weil ich nicht weiß, wie ich das sagen soll. Es gibt viele Leute, die einfach irgendeine Meinung haben, nicht, weil sie böse sind oder so, sondern weil sie von den Medien die ganze Zeit nichts anderes hören. Von den Medien oder von ihren Kontakten. Man weiß nicht wirklich was man machen soll. Vielleicht braucht es mehr Informationen in den Medien was das angeht.
Ich bin hier und habe nichts getan, aber ich werde schon kategorisieret als Drogendealer oder als würde ich einfach nur Geld vom deutschen Staat bekommen und Nichts machen. Wisst ihr was ich meine? Das kommt alles von so einem Gesamtbild was man überall hört und von den Medien vermittelt bekommt. Es müsste sich erstmal das Gesamtbild ändern, damit sich auch die einzelnen Menschen ändern können. Das wäre auf jeden Fall sinnvoll."